Uechi-Ryu

Uechi Ryu ist eine chinesisch-okinawanische Kampfkunst, deren weltweites Zentrum in Futenma, Okinawa liegt. Diese Kunst entstand aus einem chinesischen Kung Fu-Stil und hat sich bis heute kaum von ihrem Ursprung entfernt. Sie betont vitale Kraft und realistische Techniken, vermittelt eine genau festgelegte Einstellung zum Kampf und konzentriert sich auf die Abhärtung des Körpers durch spezielle Technik- und Atemübungen. Kennzeichnende Merkmale sind der relativ hohe Stand, zahlreiche Techniken mit der offenen Hand (die geschlossenene Faust gilt in Uechi Ryu als abgeschwächte Form) und der weitgehende Verzicht auf hohe Tritte.

Durch die breite Palette an Techniken, die zur Verfügung stehen, können Schüler aller Größen, jeden Körperbaus und jeden Alters Uechi Ryu als ideale Kampfkunst praktizieren. Die wichtigsten Voraussetzungen um ein Uechi Ryu Karate-Do Schüler zu werden sind einfach:

Die Entschlossenheit konsequent zu trainieren und Spaß am Training zu haben!

Der Stil und seine Vertreter

Kanbun Uechi

Der Gründer des Stils, Kanbun Uechi, war der erstgeborene Sohn von Kantoku und Tsuru Uechi und wurde 1877 auf Okinawa geboren. Im Jahr 1897 reiste Kanbun nach China in die Region Fukien, wo er unter der Leitung des Meisters Shushiwa (auch bekannt als Chou Tzu Ho, Zhou Zi-He oder Shushabu) Kung Fu erlernte. Hauptbestandteile seiner Übungen waren die Stile des Tigers (Huquan), des Drachens (Longquan) und des Kranichs (Hequan). Kanbun blieb 13 Jahre in China, von denen er sieben Jahre bei Shushiwa lernte. Im Jahr 1907 gründete er seine eigene Schule. Nur zwei Jahre später musste er sie wieder schließen, weil einer seiner Schüler seinen Nachbarn bei einem Streit getötet hatte. Kanbun kehrte daraufhin nach Okinawa zurück und wollte nie wieder unterrichten.

Im Jahr 1924 zog Kanbun Uechi jedoch nach Wakayama (Japan) in der Nähe von Osaka wo er in einer Baumwollfabrik Arbeit gefunden hatte. Dort gelang es Ryuyo Tomoyose, einem Kollegen, der ebenfalls von Okinawa stammte, Kanbun dazu zu überreden ihn zu unterrichten. In der Folge überzeugte Tomoyose Kanbun auch davon, dass dieser seinen Stil erhalten musste. Kanbun gründete wieder eine Schule und nannte seinen Stil Pangai Noon (wörtlich: halb-hart, halb-weich). Kanbun Uechi lebte bis 1948.

Kanei Uechi

Der Sohn Kanbuns, Kanei Uechi, wurde 1911 geboren und lernte Karate von 1930 – 1942 unter der Aufsicht seines Vaters in Wakayama. Er war neben Ryuyu Tomoyose der zweite bedeutende Schüler seines Vaters. Es war Kanei Uechi, der den Stil zu Ehren seines Vaters in Uechi Ryu umbenannte.

Das erste Dojo von Kanei Uechi auf Okinawa befand sich in Nago, einer Stadt im Norden der Insel, wo Kanei sechs Jahre lang lebte. Das Training wurde auf der Straße abgehalten und bei besonderen Gelegenheiten auch im Hause – wenn die Familie bereit war in ein anderes Zimmer zu gehen. Das heutige Dojo, das seit mehr als 40 Jahren unverändert ist, findet man in der Stadt Ginowan (Futenma).

Kanmei Uechi, Sohn Kaneis, wurde am 10. Mai 1941 geboren. Er war der Leiter des Uechi-Systems bis zu seinem Tod am 13. September 2015 und Träger des 10. Dan. Er war verheiratet und hatte drei Kinder: Kansho (Sadanao) Uechi, Kanji Uechi und Kanyu (Kanryu) Uechi. Kansho Uechi trägt den 7. Dan und ist der derzeitige Soke des Uechi ryu.

Das Karate hat seinen Ursprung im chinesischen Kempo und Uechi Ryu bildet keine Ausnahme. Es wurde durch Kanbun Uechi ebenfalls direkt von China nach Okinawa gebracht und wird heute in dessen Abstammungslinie in der vierten Generation praktiziert. Heute ist Uechi Ryu einer von vier prominenten Stilen auf Okinawa (die anderen drei sind Gojo Ryu und zwei Stile des Shorin Ryu, nämlich Matsubayashi und Kobayashi Ryu), die auf zahlreiche Schulen verschiedener Stile einen besonderen Einfluss hatten.

Uechi Ryu in Regensburg und Pettendorf ist organisatorisch der IUKF (International Uechi Ryu Karate Federation) – mit Hauptsitz in Mount Dora, Florida – angeschlossen. Präsident der IUKF war bis zum August 2018 George Mattson (10. Dan), der von 1956 bis 1958 auf Okinawa stationiert war und Uechi Ryu von Ryuko Tomoyose, dem Sohn Ryuyu Tomoyoses, erlernte. George Mattson kehrte 1958 in die USA zurück und begann Karate in Boston, Massachusetts, zu lehren. Er war maßgeblich an der Verbreitung des Stils in den USA beteiligt. Einer seiner Schüler ist William P. Glasheen (8. Dan Richmond, Virginia), der wiederum der Lehrer von Bruce Hirabayashi (8. Dan) ist. Bruce war es, der das Dojo in Regensburg im Jahr 1992 gründete. Er lebt mittlerweile wieder in den USA.

Das Dojo Regensburg wird seit 1998 von Paul Kronschnabl (7. Dan) geleitet. Im Jahr 2000 hat Paul zusätzlich das Dojo in Pettendorf bei Regensburg gegründet.

George Mattson

Bill Glasheen

Bruce Hirabayashi

Paul Kronschnabl

Philosophie und System

Eines der fundamentalen Merkmale des Uechi Ryu äußert sich im Konzept des „Han Kou Nan“, was man mit Harmonie zwischen hart und weich bezeichnen könnte und welches die Brücke zwischen den zwei Gegensätzen ist: „Das Harte sei durch das Weiche zerstört. Das Weiche sei durch das Halbharte zerstört. Das Halbharte sei durch das Harte zerstört“.

Das Konzept basiert auf engen und eher hohen Stellungen, schnellen, direkten, schnörkellosen und deshalb effektiven Techniken – und auf Widerstandskraft. Die Techniken werden zunächst einzeln erlernt und dann in verschiedenen Formen in unterschiedlichen Verbindungen geübt.

Zu diesen Formen gehören z.B. das Hojo Undo, ein System von 13 verschiedenen Basisübungen mit kombinierten Block- und Angriffstechniken, die ohne Gegner praktiziert werden. Eine weitere Form ist das Yakusoku Kumite (unterteilt in Kyu- und Dan-Kumite), bei dem mit einem Gegner festgelegte Sequenzen von Angriff und Verteidigung geübt werden, wobei während der Sequenz Angreifer und Verteidiger die Rollen auch wechseln.

Wichtigste Übungsformen sind die Kata, die einen stilisierten Kampf gegen einen oder mehrere imaginäre Gegner darstellen. Sie enthalten in komprimierter Form die Essenz des jeweiligen Stiles, eine Tatsache, die auch für andere Stile bzw. Kampfkünste gilt. Im Uechi Ryu gibt es acht Kata, von denen drei ihren Ursprung in China haben: Sanchin, Seisan und Sanseiryu. Bis zum Tode Kanbun Uechis waren dies die drei einzigen Formen, die in seiner Schule unterrichtet wurden. Für den Meister Kanbun Uechi war die Kata Sanchin der Anfang und das Ende des Karate, denn er war überzeugt davon, dass jeder Schüler, der diese Arbeit bis zur Perfektion beherrschte, den wahren Sinn des Karate erkennen würde. Ein familiärer Satz, den Kanei auf viele Fragen zu hören bekam, war: „Alles ist in Kata Sanchin“. Beim Uechi Ryu ist das Sanchin eine Kata, die, obwohl sie auf der Atmung beruht, nicht als eine „Kata der Atmung“ begriffen wird, sondern die gleiche Bedeutung wie die anderen Katas hat. Ein Lieblingssatz des Meisters Kanbun war: „Sanchin garantiert 10 Jahre Training“.

Fünf weitere Kata, die sogenannten Brückenkata Kanshiwa, Kanshu (auch: Daini Seisan), Seichin, Konchin und Seirui wurden dem System von Kanei Uechi hinzugefügt.

Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass man in einer körperlichen Auseinandersetzung selbst nicht getroffen wird. Ein wichtiger Bestandteil des Trainings im Uechi Ryu ist daher die Abhärtung des Körpers („Koti Kitae“), bei der das Hinnehmen harter Schläge auf alle Körperteile trainiert wird, während man mental und nach außen ruhig bleibt. Anfänger beginnen mit leicht ausgeführten Koti Kitae-Übungen und steigern die Intensität langsam über Wochen und Monate. Auch unter dem Selbstverteidigungsaspekt ist es nicht zu unterschätzen, wenn man es gewöhnt ist, Schläge hinzunehmen und nicht beim ersten Schlag in eine Art Schreckstarre fällt.

Uechi Ryu ist keine Sportart mit Wettkampfcharakter sondern eine traditionelle Kampfkunst. Im Uechi-Training werden verschiedenste Eigenschaften wie Schnelligkeit, Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Konzentration, Gleichgewichtssinn, Timing und Zähigkeit erworben und geschult. Man muss allerdings auch dazu bereit sein, sich selbst zu fordern und seine Grenzen ständig auszubauen.

Uechi Ryu kann man als Teil seiner Lebenseinstellung begreifen – und es lebenslang betreiben.